Mobilität verstehen – Mobilität gestalten: Die Statuskonferenz „mobil gewinnt“ 2025
Innovationen, Einblicke und neue Perspektiven für das Betriebliche Mobilitätsmanagement
Am 19. November 2025 fand im Bundesministerium für Verkehr (BMV) in Berlin die diesjährige Statuskonferenz der Initiative „mobil gewinnt" statt. Einen Tag lang kamen Wissenschaft, Praxis und Innovationsprojekte auf Einladung des BMV zusammen, um aktuelle Erkenntnisse zum Mobilitätsverhalten in Deutschland mit Erfahrungen aus dem Betrieblichen Mobilitätsmanagement (BMM) zu verbinden. Unter dem Motto „Mobilität verstehen – Mobilität gestalten" entstand ein inspirierender Austausch über Ideen, Lösungen und Zukunftsperspektiven.
Auftakt: Impulse für eine Mobilität im Aufbruch
Dr. Claudia Elif Stutz, Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, eröffnete die Konferenz mit einem klaren Signal: Betriebliches Mobilitätsmanagement ist ein Schlüssel, um praxisnah und niedrigschwellig Mobilität nachhaltiger, attraktiver und effizienter zu gestalten. Es verbindet Daten, digitale Lösungen und organisatorische Maßnahmen – und wirkt dort, wo jeden Tag Millionen Wege entstehen: Zwischen Wohnort und Arbeitsplatz, auf Dienstwegen und in Firmen sowie öffentlichen Einrichtungen.
Moderiert von Michael Wedler, Geschäftsführer von B.A.U.M. Consult GmbH, ging es weiter mit einem vielfältigen Programm voller Praxisbeispiele, Forschungsimpulse und lebendiger Diskussionen.
Mobilität verstehen: Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung
Zu Beginn rückten zwei Forschungsbeiträge die Grundlagen erfolgreicher Mobilitätsgestaltung in den Fokus:
Marc Schelewsky vom infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft gab Einblicke in die aktuellen Ergebnisse der Studie „Mobilität in Deutschland" (MiD) und zeigte auf, wie sich Wege, Verkehrsmittelwahl und Alltagsmobilität verändern – wichtig für jedes wirksame Mobilitätsmanagement (zur MiD-Studie).
Luisa Stöhr vom Institut für Mobilität der Universität St. Gallen präsentierte zentrale Erkenntnisse aus der Studie „Berufliche Mobilität neu gestalten" zu Einstellungen, Motivationen und Routinen von Beschäftigten. Sie machte deutlich: Wir brauchen passgenaue Angebote, die Menschen im Alltag wirklich unterstützen (zum Projektbericht).
Die Forschungsergebnisse werfen eine wichtige Frage auf: Welche Zielgruppen erreichen wir mit unseren Maßnahmen – und bei welchen liegen bislang ungenutzte Potenziale? Denn die tatsächliche Wahlfreiheit im Mobilitätsalltag ist nicht für alle Beschäftigten gleich groß. Sie hängt stark vom ökonomischen Status, vom Wohnumfeld und von den strukturellen Rahmenbedingungen ab. Nicht jede und jeder hat die Möglichkeit, problemlos zwischen Auto, Rad, ÖPNV oder Sharing-Angeboten zu wählen – und manche Zielgruppen nehmen bestimmte Optionen aufgrund ihrer Mobilitätssozialisation gar nicht erst als attraktiv wahr.
Diese Mobilitätssozialisation prägt, wie Menschen Mobilität erleben, welche Routinen sie entwickeln und welche Angebote für sie praktikabel erscheinen – die Verkehrsmittelwahl fällt umso leichter, wenn man an multimodale Wege von Beginn an gewohnt ist.
Eine weitere Erkenntnis ist, dass Fachkräftegewinnung und -bindung heute eher weniger als Treiber für Betriebliches Mobilitätsmanagement wirken als noch vor einigen Jahren, da sich derzeit die Rahmenbedingungen auf dem Arbeitsmarkt verändern. Ein wichtiger Aspekt ist es aus Unternehmenssicht, dass der Standort gut erreichbar wird oder bleibt.
In solchen Erkenntnissen liegt großes Potenzial:
Betriebliches Mobilitätsmanagement kann dann besonders wirksam werden, wenn wir Forschungsergebnisse konsequent nutzen und die Lebensrealitäten der Beschäftigten mitdenken. So entstehen Maßnahmen, die wirklich zu den jeweiligen Zielgruppen passen – von passgenauer Kommunikation über passende Anreize bis hin zu Mobilitätsangeboten, die im Alltag erreichbar, sinnvoll und nutzbar sind.
Diese wissenschaftlichen Grundlagen machen deutlich: Für ein wirksames Betriebliches Mobilitätsmanagement brauchen wir belastbare Daten – als Basis, um Maßnahmen bedarfsgerecht zu entwickeln, ihre Wirkung sichtbar zu machen und sie gezielt weiterzuentwickeln. Damit rückt Evaluation ins Zentrum: Sie verbindet Forschung und Praxis und zeigt, was tatsächlich wirkt. Welche Rolle sie im Förderprogramm „mobil gewinnt" spielt und wie Einrichtungen Evaluation konkret umsetzen können, war daher ein eigener Schwerpunkt der Statuskonferenz.
Innovationen für den Alltag: Projekte, die Mobilität neu denken
Von der Wissenschaft in die Praxis ging es mit den Innovationsprojekten aus dem aktuellen Förderprogramm Betriebliches Mobilitätsmanagement. Sie zeigten eindrucksvoll, wie Betriebe und Einrichtungen der öffentlichen Hand Mobilität neu denken – pragmatisch, kreativ und zukunftsorientiert.
Vier Themenpanels gaben die Vielfalt der Projekte wieder und spannten den Bogen von Sharing-Angeboten über digitale Plattformen bis hin zu Kommunikationsstrategien.
- Wie mit Mobilitätsstationen und überbetriebliches Sharing neue Angebote direkt am Arbeitsplatz geschaffen werden, zeigten die Vertreterinnen und Vertreter der Projekte MoKUP 2.0, BLiNK, ZMB_BHV_2025 und VfL-MOBIL. Mobilitätsstationen, E-Flotten, Bike-Sharing oder Shuttledienste erleichtern den Arbeitsweg und reduzieren gleichzeitig CO?.
- Gemeinsam unterwegs sein mit digitalen Mitfahrplattformen für Fahrgemeinschaften ermöglichen Projekte wie SMILE, ZuMoBi, HFTmobilNext und IZSMO. Sie stellten intelligente Lösungen vor, die Pendlerinnen und Pendler schnell, flexibel und klimafreundlich zusammenbringen.
- Nicht nur für digitale Mitfahrplattformen ist Digitalisierung ein Gamechanger. Innovationen durch Digitalisierung machen weitere Innovationen möglich: Von automatisierten Shuttles über Mobilitätsbudgets bis hin zu smarten Campuslösungen werden in Projekten wie BLiNKplus, DIBMOB oder ICLMobil umgesetzt und zeigen, wie digitale Lösungen den Alltag im Betrieb transformieren.
- Betriebliches Mobilitätsmanagement hängt aber auch entscheidend von Motivation und einer Mobilitätskultur ab. Projekte wie MoveIn, LueCaMo oder CaMoRoT entwickeln Strategien, wie Kommunikation, Anreize und gute Infrastruktur nachhaltige Mobilitätsroutinen fördern.
Gemeinsam machten die Projektteams deutlich: Bei allen Herausforderungen, mit denen jedes Projekt befasst ist: BMM wirkt – und es lässt sich ganz konkret in den Alltag integrieren.
Zu den ausführlichen Projektbeschreibungen
BMM auf dem Prüfstand: Was wirkt und warum?
Ein weiterer Höhepunkt des Tages waren die Erkenntnisse des Arbeitskreises Evaluation der Deutschen Plattform für Mobilitätsmanagement e. V. (DEPOMM) mit Michael Abraham und Dr.-Ing. Uwe Böhme sowie die Einblicke in die Evaluation der geförderten Projekte, die von Dr. Christina Wisotzky und Paula Hüttl der TÜV Rheinland Consulting Forschungs- und Innovationsmanagement GmbH präsentiert wurden.
Die Ergebnisse der Evaluation zeigen deutlich, dass Betriebliches Mobilitätsmanagement wirkt – aber auch an welcher Stelle nachgeschärft werden muss, welche Maßnahmen besonders gut funktionieren, wo Wirkung sofort sichtbar wird und wo sie Zeit braucht. Evaluation liefert belastbare Daten, schafft Argumente für Veränderungen und bildet eine wichtige Grundlage dafür, Betriebliches Mobilitätsmanagement strategisch weiterzuentwickeln.
Gleichzeitig wurde klar, dass noch Handlungsbedarf besteht, um Evaluationsmethoden besser in den Alltag der Unternehmen und Institutionen zu integrieren. Veränderungen im Mobilitätsverhalten benötigen Zeit – und oft mehr Zeit, als ein Förderzeitraum abbilden kann. Auch die Evaluation muss den Blick erweitern: Die CO? -Reduktion ist bedeutend, aber BMM kann viel mehr. Arbeitgeberattraktivität, Gesundheit oder die Resilienz von Unternehmen können ebenfalls berücksichtigt und evaluiert werden.
Hier setzt DEPOMM an: Der Arbeitskreis nimmt die Bedarfe aus der Praxis auf, reflektiert bestehende Ansätze und entwickelt Wege, wie Evaluation realistisch, wirkungsorientiert und alltagstauglich umgesetzt werden kann. Das Ziel: Die Potenziale der Evaluation voll auszuschöpfen – damit Einrichtungen besser verstehen, was wirkt, warum es wirkt und wie erfolgreiche Maßnahmen nachhaltig verstetigt werden können.
Zur Präsentation des DEPOMM-Arbeitskreises Evaluation
Zur Präsentation der Evaluation der Projekte aus dem Förderprogramm Betriebliches Mobilitätsmanagement
Begegnung, Austausch und Inspiration
Die Mittagspause diente nicht nur der Stärkung, sondern bot auch Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. Die Posterausstellung der aktuellen Innovationsprojekte bot den Teilnehmenden die Möglichkeit, konkrete Umsetzungen kennenzulernen. Es wurde intensiv diskutiert, vernetzt und weitergedacht.
Offene Diskussionen: Herausforderungen und Erfolgsfaktoren
Am Nachmittag rückten zwei Diskussionsforen zentrale Fragen in den Mittelpunkt:
- Wie lassen sich Erfolge im BMM messbar machen?
- Welche Faktoren entscheiden über die erfolgreiche Umsetzung innovativer Mobilitätsmaßnahmen?
Die Foren boten Raum für den Austausch von Erfahrungen, das Benennen von Hindernissen und die gemeinsame Entwicklung von Lösungsansätzen – praxisnah, konstruktiv und auf Augenhöhe. Anhand konkreter Beispiele aus den geförderten Projekten wurde deutlich, welche Instrumente sich in der Praxis bewähren und wo es noch Nachjustierungsbedarf gibt.
Unsere Referentinnen und Referenten sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Projekte standen Rede und Antwort. Viele nutzten die Gelegenheit, eigene Erfahrungen einzubringen, Fragen zu stellen und voneinander zu lernen. Dabei wurden auch Herausforderungen offen angesprochen.
Ein zentrales Ergebnis der Diskussion war, dass der Erfolg von BMM-Maßnahmen nicht nur von der richtigen Technologie abhängt, sondern auch von einer klaren Zielsetzung und der aktiven Beteiligung der Beschäftigten. Besonders entscheidend sind eine transparente Kommunikation, die Akzeptanz durch die Belegschaft und eine langfristige Strategie, die den Alltag der Beschäftigten wirklich entlastet.
Ein weiterer wichtiger Aspekt war das Zusammenspiel von Kommunen, Unternehmen und Verkehrsbetrieben als Schlüsselfaktor für den Erfolg von BMM-Maßnahmen. Einigkeit herrschte darin, dass erfolgreiche Lösungen nur im Dialog zwischen den Akteuren entstehen – mit klar definierten Rollen und einer gemeinsamen Vision. In den Diskussionen wurde jedoch auch der Spannungsbogen zwischen privatwirtschaftlicher Verantwortung und öffentlicher Daseinsvorsorge lebhaft thematisiert.
Trotz der komplexen Herausforderungen rund um Finanzierung, Motivation und Wirkung war bei den Teilnehmenden spürbar: Wir bleiben an dieser wichtigen Querschnittsaufgabe dran – um Betriebliches Mobilitätsmanagement dauerhaft zu verankern und weiterzuentwickeln.
Abschluss: Rückenwind für die nächsten Schritte
Im Schlusswort zog Dr. Stefan Ewert, Referat G15 – Personenverkehr, Öffentliche Verkehrssysteme im Bundesministerium für Verkehr, eine positive Bilanz des Tages. Er dankte im Namen des BMV den Referentinnen und Referenten, den Projekten und den Teilnehmenden für ihr Engagement. Die Präsentationen und Diskussionen hatten eindrucksvoll gezeigt, wie vielfältig, innovativ und wirkungsvoll die Vorhaben sind. Gleichzeitig gibt der aktuell laufende dritte Innovationsförderaufruf ein starkes Signal für die Zukunft des BMM – die über 40 eingereichten Projektskizzen zeigen, dass die Betriebe BMM auf den Weg bringen möchten – und spannende neue Projekte erwartet werden dürfen.
Die Teilnehmenden wurden ermutigt, die Dynamik aus der Veranstaltung mitzunehmen, ihre Erfahrungen weiterzugeben und andere Betriebe und Einrichtungen zu inspirieren.
Bei einem abschließenden offenen Austausch bei Kaffee und Kuchen klang der Tag aus – mit vielen neuen Ideen und Kontakten im Gepäck.
Fazit: Mobilität gestalten wir gemeinsam
Die Statuskonferenz hat gezeigt: Betriebliches Mobilitätsmanagement ist kein Randthema, sondern ein strategischer Hebel für Klimaziele, Arbeitgeberattraktivität und resiliente Betriebe - und lebt von aktiven Menschen, starken Ideen und mutigen Unternehmen.
Mit ihren innovativen Projekten und ihrem Engagement für das BMM insgesamt haben die Teilnehmenden gezeigt, wie Mobilität nachhaltiger, gesünder, effizienter und für alle attraktiver werden kann.
Die Initiative „mobil gewinnt" mit dem aktuellen Förderprogramm BMM begleitet diesen Weg – mit neuen Impulsen und einer wachsenden Community, die gemeinsam die Mobilitätswende vorantreibt.

















